
Am 28. März 2023 fing unser eigentliches Abenteuer erst richtig an.
Heute stand zunächst ein Abschied an – wir mussten uns von der wunderschönen Insel Djerba trennen. Doch allzu schwer fiel es uns nicht, denn ein neues Abenteuer wartete bereits auf uns. Ein spannender 450 Kilometer langer Roadtrip lag vor uns, der uns durch atemberaubende Landschaften und faszinierende Orte führen würde. Unser Ziel: Douz, das Tor zur Sahara.
Auf diesem Roadtrip durchqueren wir gleich drei Wüsten:
die Steinwüste rund um Toujane, Matmata, Chinesin und Ksar Ouled Soltane, die endlose Salzwüste des Chott El Djerid und natürlich die majestätische Große Sahara.

Ich brauche kein Grand Canyon oder Death Valley
Nach unserem obligatorischen Frühstück – natürlich mit frisch gepresstem Orangensaft, denn ohne den geht hier gar nichts – packten wir unsere sieben Sachen in den Mietwagen und machten uns startklar.
Meine Fotoausrüstung hatte ich schon strategisch auf der Rückbank platziert, griffbereit für jedes noch so epische Motiv.
Mit jedem gefahrenen Kilometer wuchs meine Begeisterung. Ich zückte ständig meine Kamera und hielt die Ausblicke in zahllosen Fotos und Videos fest.
Unser erster Abschnitt führte uns über den beeindruckenden 7 Kilometer langen Römerdamm nach Zarzis, eine Stadt mit rund 71.000 Einwohnern. Und hier wurde es direkt spannend! Auf den Straßen herrschte ein geordnetes Chaos, das mich gleichzeitig faszinierte und an meine Überlebensinstinkte appellierte.
Straßenverkehr in Tunesien? Ein echtes Abenteuer! Hier gibt es offiziell eine Anschnallpflicht, aber wer sich tatsächlich anschnallt, macht sich sofort verdächtig – zumindest in den Augen der örtlichen Polizei.
Aauch steht hier vermutlich die einzige Ampel in ganz Tunesien! Und das Beste? Sie scheint mehr zur Deko da zu sein, denn Ampeln werden hier generell überbewertet. Stattdessen setzt man landesweit auf Kreisverkehre – die aber nicht nur dem fließenden Verkehr dienen, sondern auch gerne mal als Multifunktionsflächen genutzt werden.
Neben ihrer eigentlichen Bestimmung dienen sie nämlich auch als äußerst praktische Parkplätze. Klingt verrückt? Dachte ich auch – bis ich es mit eigenen Augen sah: Ein Auto fuhr seelenruhig in den Kreisverkehr, hielt neben mir an, der Fahrer stieg aus, schloss gemütlich die Tür und spazierte davon, als hätte er gerade den perfekten VIP-Parkplatz ergattert. Tja, warum sich mit Parklücken abmühen, wenn man den ganzen Kreisverkehr haben kann?
Jedenfalls war das erst der Anfang unseres Abenteuers – und ich konnte es kaum erwarten, noch tiefer in die Welt von Wüste, Filmkulissen und chaotischem Straßenverkehr einzutauchen!
Nachdem wir das wilde Treiben von Zarzis hinter uns gelassen hatten, steuerten wir nun Tataouine an – meine erste von fünf geplanten Star Wars-Locations.
Tataouine selbst, mit seinen rund 65.000 Einwohnern, ist historisch vielleicht nicht die erste Adresse in Tunesien, aber trotzdem gibt es hier einiges zu entdecken.
Besonders spannend sind die alten Speicherburgen (Ksour) und das malerische Bergdorf Chenini, das als nächstes auf unserer Route lag.
Ein Ort, an dem Geschichte und beeindruckende Landschaften aufeinandertreffen – und vielleicht ja noch mehr skurrile Verkehrserlebnisse auf uns warteten.
Kleiner Funfact zu Tataouine
Auch wenn hier selbst keine Szene gedreht wurde, hat sich George Lucas diesen Namen für den Heimatplaneten von Luke Skywalker ausgeliehen. Und ja, er hat die Schreibweise leicht geändert – warum auch immer.
Das kleine Berberdorf Chenini liegt malerisch im Dahar-Bergland auf rund 450 Metern Höhe und ist etwa 20 Kilometer westlich von Tataouine zu finden.
Hier leben etwa 500 Berberbauern und -hirten, die ihre Wohnräume direkt in den Fels gehauen haben. Viele dieser Behausungen wurden mittlerweile modernisiert, was bedeutet, dass man hier vermutlich WLAN, aber immer noch keine Seitenbegrenzung an der Straße hat.
Fun Fact für alle Star Wars-Fans
Auch in der Umgebung von Chenini wurden Szenen für die Saga gedreht. Viele Namen der umliegenden Städte haben es sogar ins Universum geschafft – und Chenini selbst wurde als einer der Monde von Luke Skywalkers Heimatplaneten verewigt. Möge die Berber-Power mit uns sein!
Jetzt aber zur eigentlichen Story
Nicole war schon einmal hier – allerdings nicht mit einem Mietwagen, sondern mit einem Jeep inklusive Fahrer. Sie hatte wohl die Höhenlage, die Steigung der Straßen und die fehlenden Seitenbegrenzungen erfolgreich aus ihrem Gedächtnis gelöscht.
Doch plötzlich, während sie am Steuer saß, war alles wieder da – und zwar mit voller Wucht. Ihre Hände wurden schweißnass, was das Lenkrad in eine rutschige Seifenbahnverwandelte. Und da war er: Nicoles offizieller Mimi-Moment!
Auf halber Strecke zum Dorf war Ende Gelände – sie konnte einfach nicht mehr weiterfahren. Aber hey, kein Problem, dachte ich mir, dann übernehme ich halt! Gesagt, getan – ich schwang mich ans Steuer und war bereit, die Mission fortzusetzen. Doch auch das war für Nicole keine wirkliche Lösung. Sie wollte einfach nicht weiterfahren – weder als Fahrerin noch als Beifahrerin. Ich glaube, wenn es eine Option gegeben hätte, per Drohne zum Dorf zu fliegen, sie hätte sie sofort genommen!
Also, damit ich ein paar Fotos schießen konnte, meinte Nicole, dass ich doch einfach zu Fuß den Berg hochgehen sollte.
Uff! Das war jetzt nicht gerade Teil meines Trainingsplans, und irgendwie hatte ich so gar keinen Bock, den ganzen langen, steilen Weg bis zur Moschee zu laufen.
Also entschied ich mich, mit den Kamera-Linsen und meiner Faulheit zu arbeiten und nahm die Fotos von der Stelle, an der ich stand. Kreativität kennt keine Ausreden!
Nachdem ich meine Fotos im Kasten hatte, ging’s nach Ksar Ouled Soltane, ein weiteres Highlight in einer Höhe von etwa 410 m und mitten in einem halbwüstenartigen Gelände.
Aber erst zurück nach Tataouine und dann noch 23 km in südöstlicher Richtung zu den alten Getreidespeichern. Eine wahre Odyssee – und ich dachte, mein Auto würde jetzt schon sagen: „Glaubst du echt, wir haben noch Benzin für das alles?“
Auf unserem Weg sahen wir plötzlich einen merkwürdigen Ort, den ich so nicht erwartet hatte. Am Straßenrand stand eine „Star Wars“-ähnliche Figur – ich dachte schon, wir hätten eine Location gefunden, von der ich nichts wusste. Vielleicht dachten wir, wir wären plötzlich in einer Szene aus „Episode 47: Der vergessene Wüstenshop“ oder so. Aber nein! Es stellte sich heraus, dass ein kreativer Anwohner seine künstlerische Ader entdeckt hatte und versuchte, ein bisschen Geld aus dem Franchise zu machen.
Ja, so läuft das also hier – das ist die wahre „Star Wars“-Erfahrung: Unerwartet, chaotisch und immer mit einem Augenzwinkern.
Ksar Ouled Soltane ist zwar kein offizieller Drehort von Star Wars, auch wenn einige das gerne behaupten, aber das hat wohl dazu beigetragen, dass der Tourismus heute eine der wichtigsten Einnahmequellen für das kleine Dorf geworden ist.
Es ist interessant, wie der Hype um diese Verbindung immer noch Besucher anzieht.
Das Leben hier war hart und entbehrungsreich und dauerte noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts an. Viele Familien sind dann jedoch in die Städte abgewandert, als das Leben dort einfacher wurde.
Früher war der Ksar, der aus Stampflehm gebaut wurde und zwei befestigte Hofanlagen umfasst, eine wichtige Station für den Karawanenhandel am Nordrand der Sahara. Sie besteht aus mehrstöckigen Speicherkammern (Ghorfa‘s), die früher als Lagerräume für Vorräte wie Getreide, Öl, Datteln und andere Habseligkeiten dienten. Auch Karawanen, die auf den Handelswegen in Nord-Süd-Richtung unterwegs waren, nutzten den Ksar als sicheren Rast- und Lagerplatz.
Weiter ging es über Medenine, durch einige der schönsten Berglandschaften Tunesiens und das charmante Dörfchen Toujene. Mittlerweile hatte ich das Steuer übernommen, denn Nicoles schwitzige Händchen waren nicht gerade ideal für die Fahrt durch die Berge. Und die hatten es wirklich in sich! Nicht nur, dass ich ständig wegen toller Fotomotivean halten musste, die Straßen führten auch über steile Pässe mit engen, schlecht einsehbaren Serpentinen – und das Beste? Nicht alle Straßen waren abgesichert, und wenn sie es waren, dann nur mit 50 cm hohen Mauern.
An vielen Stellen konnte man nur im Schritttempo fahren, aber schließlich hatten wir es geschafft! Um 15 Uhr erreichten wir das kleine Dorf Matmata, das auf etwa 600 m liegt.
Und nun kam der Moment, auf den ich schon lange gewartet hatte. Unser erster echter Star Wars-Drehort! Wir parkten vor einem einfachen, fast unscheinbaren Hotel, dem „Hotel Sidi Idriss“, und wurden direkt am Eingang von einem riesigen Star Wars-Schild begrüßt.
Hier wurde 1976 ein Teil der Innenaufnahmen für „Star Wars – A New Hope“ gedreht – Lars Homestead, die Heimat von Luke Skywalker. Und als ob das nicht schon genug wäre: 2002 kehrten die Filmemacher zu diesem ikonischen Ort zurück, um „Star Wars – Attack of the Clones“ zu drehen.
Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, diesen „heiligen“ Ort für alle Star Wars-Fans zu erkunden, mit dem Wissen, dass hier schon weit berühmtere Personen als ich ihren Fußabdruck hinterlassen hatten.
Aber egal, ich fühlte mich fast ein bisschen wie ein Jedi auf Erkundungstour – nur eben mit weniger Lichtschwert und mehr Kamera.
Trotz des ganzen Star Wars-Zaubers muss ich ehrlich sagen, dass das Hotel seinen Glanz längst verloren hatte. Es hatte definitiv seine besten Zeiten hinter sich.
Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, hier eine Nacht zu verbringen – es sei denn, man wollte die Jedi-Disziplin des „Überlebens ohne Komfort“ trainieren.
Aber trotzdem war es irgendwie cool, diesen ikonischen Drehort zu besuchen, und hey, ich habe immerhin ein paar Fotos gemacht. Mission erfüllt!
Es war nun etwa 16 Uhr, also Zeit, uns auf die letzte Etappe des Tages zu machen – schließlich mussten wir noch die 100 km nach Douz zurücklegen.
Also fuhren wir wieder durch die Berglandschaften Tunesiens, doch je weiter wir kamen, desto wüstenähnlicher wurde die Landschaft. Ab der Hälfte der Strecke hatte ich das Gefühl, das „Death Valley“ direkt vor mir zu sehen. Öde, karge Wüstenlandschaften – fast schon ein bisschen gespenstisch.
Was wir auf der Strecke allerdings nicht fanden, waren andere Verkehrsteilnehmer und Tankstellen. Es war fast so, als ob wir die einzigen Lebenden in einer Wüste voller verlassener Straßen waren. Alle paar Minuten drehte sich Nicole zu mir und fragte mit einem leicht panischen Blick:
„Wie viele Striche sind noch auf der Tankanzeige?“
60 km vor unserem Ziel war da nur noch ein einziges Strichlein, das uns mit einem leisen „Ich bin bald weg“ den Weg in die Verzweiflung wies. Zu diesem Zeitpunkt waren wir in einem Wettlauf gegen die Zeit.
„Wo sind bitte die Tankstellen?“,
fragte Nicole immer wiede. Unsere Hoffnung wuchs, dass irgendwo eine „libysche Tankstelle“ auftauchen würde – aber dazu später mehr.
Mit dem letzten Tropfen Treibstoff, der nur noch auf mystische Weise in unserem Tank existierte, erreichten wir schließlich Douz. Wir rollten quasi mit leerem Tank in die Stadt, konnten endlich an einer Tankstelle auftanken und fuhren dann zu unserer Unterkunft, dem „Tente Elbey“.
Wir kamen just in time zum Sonnenuntergang an, was uns ein Gefühl von Triumph über eine epische Reise durch das „Tankstellen-Wunderland“ gab.
Diese außergewöhnliche Unterkunft lag mitten in einer Oase. Es war ein wenig wie in einem 1001 Nacht – nur dass unser Zelt innen eher wie der Raum eines sehr extravagant dekorierten Puff aussah. Abgesehen von ein paar schreienden Pfauen und einer Katze, die hoffentlich gerade die Skorpione vertreibt, waren wir die einzigen Gäste an diesem Tag.
Zuhause hätten wir wahrscheinlich gedacht, dass es ein bisschen kitschig ist, aber hier passte es einfach perfekt. Vielleicht lag es an der magischen Atmosphäre oder daran, dass wir einfach mit den richtigen Erwartungen hierher gekommen waren. Die „Zelt-Nacht“ war jedenfalls ein Erlebnis der besonderen Art.
Zu der Unterkunft gehörte auch ein Restaurant, und auch hier waren wir – Überraschung – die einzigen Gäste. Wir hatten uns ein 3-Gänge-Menü gegönnt, und die ersten beiden Gänge hatten wir bei romantischem Kerzenschein bereits genossen.
Doch dann, während der Pause zwischen den Gängen, musste ich schnell mal den „Notruf“ zum WC absetzen. Ich machte mich also auf den Weg und das Drama nahm seinen lauf.
Kein Toilettenpapier! Kein einziges Blatt! Ich stand da und dachte mir: „Was mache ich jetzt?“. Also blieb mir nichts anderes übrig, als Nicole eine Nachricht zu schicken, dass es hier kein Toilettenpapier gibt. Ihre Antwort kam wie erwartet sofort – aber was sie daraufhin schrieb, seht selbst:


Ah, wir waren ja in Tunesien – und natürlich wie in vielen muslimischen Ländern – ein Ort, an dem man auf dem WC mit Wasserschläuchen anstelle von Toilettenpapier konfrontiert wird.
Die Moslems machen sich gerne sauber auf eine Art und Weise, die ich – aus hygienischen und kulturellen Gründen – einfach nicht nachvollziehen konnte. Ich bin eher der Typ, der auf Toilettenpapier und nicht auf Wasserschläuche schwört.
Nun stand ich da, in meiner absoluten Not – der Verzweiflung nah und fragte mich, was ich in dieser kritischen Phase des Lebens wohl tun sollte.
Und natürlich, wie es sich für einen echten Freund gehört, dachte Nicole über zwei großartige Lösungsmöglichkeiten nach, um mich aus meiner misslichen Lage zu befreien:
- Sollte sie den Tisch verlassen, sich wie eine Heldin durch das Restaurant kämpfen, zur Toilette eilen und das noch unberührte Essen den Katzen überlassen, die sich schon heimlich auf den Hauptgang vorbereiteten?
- Sollte sie dem Kellner von meiner tragischen Notlage berichten und dabei die Ehre unseres Essens retten? Schließlich konnte ja nicht einfach der Hauptgang einer Katze überlassen werden – nicht in einer Zivilisation wie dieser!

Was für ein Dilemma! Aber für mich war es ganz klar – Tor 2! Nur für Nicole natürlich nicht, Schließlich kann man nicht einfach das würdige Mahl dem Katzenvolk überlassen, oder?
Während ich noch mit meinem Leben und den unbestreitbaren hygienischen Herausforderungen kämpfte, öffnete sich plötzlich die Toilettentür und – Tadaaa – eine dunkle Hand reichte mir das Toilettenpapier. So fühlt es sich also an, von einem geheimen Helfer gerettet zu werden.
Man hätte ja auch einfach den Kellner auf das Essen aufpassen lassen können, während wir gemeinsam das Toiletten-Abenteuer bestehen – aber nein, verstehe einer die Frauen! Nicole dachte natürlich, sie müsse die Ehre unseres Dinners retten und sich gleichzeitig in die Heldin des Tages verwandeln. Ich habe nie behauptet, dass das Leben mit einer Frau nicht auch immer wieder für Überraschungen gut ist.
Nachdem ich dann also meine epische Begegnung der dritten Art im Badezimmer überlebt hatte, kehrte ich zurück und musste Nicole für ihren heldenhaften Einsatz auch noch loben. Sie hatte unser Essen gerettet – und ich musste zugeben, dass es wohl doch Toilettenpapier gab – nur war ich offensichtlich zu blöd, mich einmal umzudrehen und zu suchen – aber naja, man lernt nie aus.
Es gab keinen Tag oder Stunde, in der wir nicht herzlich gelacht hätten. Dieser Tag war also mal wieder ein unvergessliches Abenteuer in Sachen Kultur, Verwirrung und persönlicher Hygiene. Aber hey, wer kann schon behaupten, dass er bei einem so epischen Drama auch noch so viele erheiternde Momente hatte?